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GOD 11

Rdeča Raketa

Wir werden
LP




Maja Osojnik, voice, piano, tape machines, electronics, composition

Matija Schellander, double bass, e - bass, modular synthesizer, composition


Anat Stainberg, Lisa Kortschak, Max Gaier, speakers

 














       
                                                  
 
by zoe fotografie



Collecting their experiences through various impro- and electro - acoustic projects, as a part of viennese circle, this Slovenia - born duo (Rdeča Raketa - Red Rocket), manifests their own post - apocalyptic vision of today's humanity. 

Wir werden (We will), consists of two carefully composed pieces, each spanning on one side of vinyl. Constructed from various electronic sound sources and field recordings with acoustic instrments, duo offers brutal sine-wave attacks, discreet loops, scary drones and beautiful piano passages. And this is just small part from what this fabolous catalog of human's habits offers, opened and closed with the spoken word lyrics.

Wir werden deals with the past repeating, movements and their absence in front of systems appearing to be crumbling, relationships between people and their inner fears, as they claim themselves.

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Ultimately, this release is collection of recommendations for surviving today's Brave New World.

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Burkhard Stangl

Aporie und Zuversicht 

(über Wir werden von rdeča raketa)

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"Gerne würde ich den Menschen gute, schöne Worte sagen, helle Worte, hell wie die Novembersonne im Karst. Doch mein Wort ist schwer und schweigsam, bitter wie die Wacholderbeere vom Karst. In ihm ist ein Leid, von dem ihr kein Wissen habt, und ein Schmerz, den ihr nicht kennen könnt. Mein Schmerz ist stolz und verschwiegen, und besser als die Menschen verstehen ihn die Föhren und Wacholdersträucher auf der Karstweide." Der Verfasser dieser Zeilen - dem Vorwort seines posthum erschienenen Lyrikbands Pesmi (Gedichte) entnommen - ist der slowenische Lyriker Srečko Kosovel (1904-1926), dessen Gedicht rdeča raketa dem Duo Maja Osojnik/Matija Schellander seinen Namen gab:  Jaz sem rdeča raketa, vžigam se in gorim in ugašam / Ich bin eine rote Rakete, ich entzünde mich, brenne, verlösche. Der Hauptvertreter des slowenischen Expressionismus und Konstruktivismus, Galionsfigur der slowenischen Avantgarde, der frühreife, brillante Kosovel gilt als das genialste lyrisch-philosophische Talent der slowenischen Moderne, ein slowenischer Rimbaud. Sieh doch, ich ganz in Rot! / Sieh doch, ich mit dem roten Herz! / Sieh doch, ich mit dem roten Blut! / Unermüdlich renne ich, als müsste ich selbst mich vollenden.

Zuerst der Name. Dann die Musik. Dann der Text. Dann die Fotografie. Dann die Sprache. Dann die Landschaft, der Karst und das Meer. Dann Kranj, Bilčovs, Ljubljana, Wien. Dann die Politik. Dann die Aktion. Nein! Das „Dann“ gibt es nicht bei rdeča raketa. Alles ist da, man kann es spüren, später weiß man es: Verlust, Krise, Krieg, Drohung, Wut, Kampf, Zerstörung, Dystopie, Traurigkeit, Fragmentiertheit des Lebens, Utopie auch, das Robuste, das Leise und das Innige. 

Die LP Wir werden ist pure Musik: sanft, kraftvoll, bedrohlich, obsessiv, präzise, unbeirrt, unverhüllt, schamlos. Sie beschwört eine fein- und tiefsinnige, zugleich verzweifelte Poesie herauf. Wir werden erzählt von einer gebrochenen Zeit - in der Vergangenheit genauso wie in der Gegenwart. Zentrales musikalisches Stilmittel ist die Verfremdung, die Neudeutung des akustischen Materials. Damit wir das Fremde und Befremdliche nicht überhören? Rdeča raketa löst Kosovels Forderung ein, der Künstler möge den "genauesten Ausdruck eines vollständigen Erlebnisses finden, das durch diese organische Gestalt unmittelbar wirke.“ Die kunstvolle Verwebung von gesprochener Sprache (basierend auf Osojniks Texten), analog-elektronischer und digitaler Klanggenerierung (Synthesizers, Computer), subtil eingesetzten Samples und Fieldrecordings sowie von akustischen Instrumenten samt elaborierter Klangprozessierung (Bassblockflöten-Haucher, Stimmen-Stöhnen, hundertfache Schichtung von Kontrabasstönen, verstimmtes Hochkulturklavier im Normal und Reverse-Modus) stellt sich als eine wundersam heterogene Mischung dar, die - zu einem unteilbaren Ganzen verdichtet - weit über das Feld der Musik hinausweist.

Man betrachtet das Cover der LP und wird unmittelbar an Kasimir Malewitschs Schwarzes Quadrat aus 1913/15 erinnert. (Genau zu dieser Zeit begann der junge Kosovel mit seinen ersten Schreibversuchen). Das Cover erinnert auch an die slowenische Musik- und Künstlergruppe Laibach, die bei ihrem ersten multimedialen Projekt Rdeči revirji (‚Rote Reviere‘) - im Voraus von der jugoslawischen Regierung verboten -, auf den Werbeplakaten Malewitschs Bild Schwarzes Kreuz verwendet hatte. Auch wenn nicht im Zentrum, so stellen die provokativen, polarisierenden Arbeiten von Laibach, sowohl was den politischen Aspekt als auch die innovative Arbeitsweise betrifft (z.B. den ganz frühen radikalen Einsatz von Sampling), einen nicht unwesentlichen Einfluss auf rdeča raketa dar. Auch die Schriftzüge auf dem Wir werden-Cover changieren mit der Aura alter Medien der Moderne. Die an konkrete Poesie gemahnende verwackelte Schreibmaschinen-Typografie findet ihre akustische Analogie im Bandrauschen einer Tonbandmaschine, das man über die ganze Laufzeit der Platte, zumeist an der unteren Hörschwelle entlang, wahrnehmen kann: das Rauschen des 20. Jahrhunderts. Weiters ist der LP eine Fotoarbeit des italienischen Klang- und bildenden Künstlers Dominique Vaccaro beigelegt. In eine ruhige Skipistenidylle ist als Hintergrund ein in Stahlbeton-Skelettbauweise errichteter, nun komplett devastierter Wohnblock montiert, der wie ein fürchterlicher Rachen mit verfaulten spitzen Zähnen erscheint, im Begriff, die friedfertigen Urlauber aufzufressen. Die Fotografie ist rot eingefärbt. Und je mehr ich renne, umso mehr brenne ich. / Und je mehr ich brenne, umso mehr leide ich, / und je mehr ich leide, umso schneller verlösche ich. / Ja, ich, der ich gern ewig lebte. Und ich, / der rote Mensch, gehe über ein grünes Feld, / im blauen See aus Stille über mir / sind eherne Wolken, o, und ich gehe, / ich gehe, der rote Mensch! (Kosovel: Rdeča raketa).

Das Duo rdeča raketa bleibt auf der LP ungesehen, kein Portrait ziert das Cover. Fotos von Osojnik/Schellander finden sich im Internet – und sie sind allesamt aufwendig inszeniert. Sie sind Lichtbilder aus einer anderen Zeit, beruhigend unmodisch. Maja Osojnik könnte Tina Modotti sein, Matija Schellander Yves Klein. Ein fiktives Paar, das eine gemeinsame Geschichte hat. Dieser fotografische Benjaminsche „Tigersprung in die Vergangenheit“ kontextualisiert das kulturelle Gedächtnis mit dem aktuell Zeitgenössischen. Was für diese inszenierte Fotografie gilt, gilt genauso für Arbeit von rdeča raketa insgesamt: Sie lässt ein Bewusstsein von einem Geschichtskontinuum entstehen, das die Gedanken an all die politischen Scherbenhaufen, gesamtgesellschaftlichen Desaster und verratenen individuellen Möglichkeiten neu dynamisiert. Wir werden spricht von temporären Heimaten und Unbehaustheit, es gibt keine sichere Bleibe mehr. „Das befestigte Haus ist wirklich fest nur durch die Hoffnung, es lebend zu verlassen“ (Paul Virilio). Ein Leben zwischen Aporie und Zuversicht: Wir werden die leeren Räume mit Bedauern erfüllen, die Einsamkeit ausbluten und werden von den leisen Absichten gestillt, heißt es in Osojniks Poem. Rdeča raketa forscht der Geborgenheit in der Kunst nach, bemächtigt sich der Sprachlosigkeit, um wieder Sprechen zu können und frägt: „Leben wir in einem sich aufbauenden System oder in einem in sich zusammenfallenden System? Erscheint die Gesellschaft heute nicht als eine Art Skulptur, die aufgebaut wird und die, bevor sie fertig ist, schon an ihrer Basis zerstört, angeknabbert wird?“ Und: „Wohin richten wir wirklich den Blick hin?“

Wir werden ist pure Musik. Wir werden ist aber auch ein Konzeptalbum. Das alles grundierende Thema auf Wir werden ist die Suche nach einer kollektiven Bewegung, dem auch dadurch möglichen persönlichen Glück und Schönheit - Wir werden andere Menschen - inmitten der Leere, die eine zerbrechende Gesellschaft im hier und heute mit sich bringt und das Individuum ernüchternd zu sich selbst wenden lässt. 

(Jänner 2013)

übersetzt von Jozej Strutz (100 Gedichte/sto pesmi, Gedichte/pesmi)

Burkhard Stangl

Doubt and confidence. 

(about Wir werden by Rdeča Raketa)

“I would like to tell people nice, beautiful words, bright wordsbright like the November sun in the Karst. But my word is heavy and taciturn, bitter like a Karst juniper berry. It entails suffering you’ve never seen and a pain you wouldn’t recognize. My pain is proud and reticent, and the pine trees and junipers of the Karst plains understand it better than people”. The writer of these lines – taken from the posthumously published anthology Pesmi (Poems) – is the Slovenian poet Srečko Kosovel (1904-1926), who’s poem rdeča raketa was the namesake for the duo Maja Osojnik and Matija Schellander: Jaz sem rdeča raketa, vžigam se in gorim in ugašam / I’m a red rocket, I flare up, burn and fade out. The precocious and brilliant Srečko Kosovel, the main representative of Slovenian expressionism and constructivism and a figurehead of the Slovenian avant-garde, is considered the most ingenious lyrical-philosophical talent of Slovenian modernism – a Slovenian Rimbaud. Oh, I in a red suit! / Oh, I with a red heart! / Oh, I with red blood! / Tirelessly, I flee as if I alone must bring fulfillment.

First the name. Then the music. Then the text. Then the photography. Then the language. Then the landscape, the Karst and the sea. Then Kranj, Bilčovs, Ljubljana, Vienna. Then politics. Then the campaign. No! With rdeča raketa, there is no “then”. Everything is right here, you can feel it, and later you know it: loss, crisis, war, threat, fury, struggle, destruction, dystopia, sadness, the fragmentedness of life, even utopia, the robust, the quiet, and the intimate.

The LP Wir werden (We will) is pure music: gentle, forceful, menacing, obsessive, precise, undeterred, undisguised, brazen. It evokes poesy at once subtle and profound – and desperate. Wir werden tells of a time that is broken – both in the past and in the present. The main musical device employed is distortion, a new interpretation of the acoustic material. Perhaps to ensure that the strange and disconcerting is impossible to miss? Rdeča raketa honors Kosovel’s demand that an artist find “the most exact expression of a total experience, which, through this organic form, will be immediately affective.” The artful interweaving of spoken language (based on Osojnik’s texts) with analog-electronic and digital sound generation (synthesizers, computers), subtly deployed samples and field recordings, and acoustic instruments along with elaborate sound processing (bass recorder breaths, voice moans, a hundredfold layering of double bass sounds, high culture piano out of tune in normal and reverse mode) ultimately creates a wondrously heterogeneous mixture, which – condensed to an indivisible whole – transcends the field of music alone.

Looking at the LP’s cover, one is immediately reminded of Kazimir Malevich’s Black Square from 1913/15 (which is exactly when the young Kosovel began his first attempts at writing). The cover is also reminiscent of the Slovenian music and art group Laibach, who used Malevich’s painting Black Cross on billboards for their first multimedia project Rdeči revirji (Red Districts), which was banned before its opening by the Yugoslavian government. The provocative and polarizing works of Laibach – though not the focal point – have nevertheless noticeably influenced rdeča raketa, both politically and when it comes to Laibach’s innovative methods (for example, their very early and radical use of sampling). Even the typeset on the cover of Wir werden is tinged with the aura of old modernist media. The jittery typewriter font reminiscent of concrete poetry has its acoustic analogy in the broadband noise produced by a tape recorder – noise that can be detected over the entire length of the record, usually just at the threshold of perception: the noise of the 20th century. Furthermore, the record comes with a photographic work by the Italian sound and visual artist Dominique Vaccaro. A serene image of idyllic ski slopes: mounted in the background, an apartment block in reinforced concrete frame construction and now completely devastated that looks like a terrible pharynx with sharp, rotten teeth – ready to swallow whole the peaceful vacationers. The photography is dyed red. And the more I flee, the more I burn. / And the more I burn, the more I suffer. / And the more I suffer, the faster I fade. / O, I who want to live forever. And / I go, a man, red across a green field, / with iron clouds overhead, / across the blue lake’s silence, / I go, I go, a red man! (Kosovel: Rdeča raketa)

The duo rdeča raketa remains unseen on the record; no portrait adorns the cover. Photos of Osojnik/Schellander can be found online – and all of them are elaborately staged. They are photographs from a different era, reassuring in their unfashionableness. Maja Osojnik could be Tina Modotti; Matija Schellander, Yves Klein. A fictitious couple with a shared past. This photographic, Benjamin-style “tiger’s leap into the past” contextualizes cultural memory to the latest contemporary art. What goes for these staged photographs holds true for the work of rdeča raketa overall: it gives rise to a conscious awareness of a continuum of history, which then adds a new dynamism to the thought of political shambles, societal disasters and squandered personal opportunities. Wir werden talks of temporary homelands and homelessness; there are no safe dwelling places anymore. “The fortified house is really only fortified through the hope to leave it alive” (Paul Virilio). A life between doubt and confidence: We will fill the empty rooms with regret, bleed dry the loneliness and be satiated by the quiet intentions, as it says in Osojnik’s poem. Rdeča raketa explores feelings of security in art, takes possession of speechlessness in order to regain the ability to speak, and asks: “Do we live in a system that is constructing itself, or in a system that is collapsing? Does society today not appear as a kind of sculpture which is erected, and before it is finished, the foundation has already been spoilt, nibbled away?” And: “Where do we really turn our gaze?”

Wir werden is pure music. It is also, however, a concept album. The all-encompassing theme on Wir werden is the search for a collective movement and the personal happiness and beauty it can provide – Wir werden (we will) other people – amongst the emptiness  that is brought about by a society which is breaking apart in the here and now and that leads the individual, sobered, to turn towards him or herself.

(January 2013)

translation by Lea Rennert, 2013. "Rdeča Raketa" translated by Ana Jelnikar and Barbara Siegel Carlson, from "Look Back, Look Ahead" (2010)

"untitled" collage by Dominique Vaccaro



http://rdecaraketa.klingt.org

http://rdecaraketa.bandcamp.com


http://kosovel.edvart.com/